G e d i c h t e
"Kannst du nicht allen gefallen durch deine Tat und dein Kunstwerk, Mach es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm." (Friedrich Schiller *1759+1805)
Presseclub
Finde dir Freunde die deine Meinung teilen
Es lohnt sich auch wenn du findest daß sie nicht ganz einer Meinung mit dir sind und daß es sich lohnt etwas von deiner Meinung zu opfern dem guten Einvernehmen Freundschaft wird fest und verläßlich durch solches Entgegenkommen Rechthaberei ist weniger mächtig und nützlich als Eintracht Hast du einmal eine Meinung gehabt? Dafür hast du jetzt Einfluß
Erich Fried (*6. Mai 1921 in Wien; + 22. November 1988 in Baden-Baden )
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10. MAI 1933
Den Büchern das Wort genommen den Dichtern die Sprache ein Land ohne Morgen
Minnie Marie Rembe (*1949 in Kaiserslautern , lebt in Langmeil/Nordpfalz)
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LÜGEN
Aus Lügen, die wir glauben, werden Wahrheiten, mit denen wir leben .
Oliver Hassencamp ( *10. Mai 1921 in Rastatt; + 31. März 1988 im Inwaging am See)
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GESCHICHTEN
Jeder Mensch erfindet sich Früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält. Oder eine Reihe von Geschichten.
Max Frisch (*15. Mai 1911 in Zürich; + 4. April 1991 ebenda)
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TRÄUMEREI
Schattenküsse, Schattenliebe, Schattenleben, wunderbar ! Glaubst du, Närrin, alles bliebe Unverändert, ewig wahr? Was lieblich fest besessen, Schwindet hin, wie Träumereien, Und die Herzen, die vergessen, Und die Augen schlafen ein.
Heinrich Heine (*13. Dezember 1797 in Düsseldorf; + 17. Februar 1856 in Paris)
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KARFREITAG
Als er die Schuhe anzog, riß ein Schnürsenkel. Er aß eine Scheibe Brot und eine halbe Zwiebel und trank den Rest Büchsenmilch, mit Wasser gemischt. Er hatte noch 8 Mark 40. Am Nordfriedhof hockten die Raben in den Bäumen. Von den Bauzäunen rann der Schnee und löste die alten Faschingsplakate ab. Die Kneipen hatten dicht. In der Imbißbude trank er ein schnelles Bier. Es schmeckte nach Plastik. Die Leute waren stumm und und starrten ihn an. Auf der Georgenstraße lief er fast in einen BMW vor die Haube. Der Fahrer drohte mit der Faust. Im Isabella zeigten sie von der Angst. Die Zeitungskästen waren leer. Zu Hause fand er noch eine Dose Tomatensuppe, löffelte sie mit Brot, las eine Spillane, wichste sich einen ab und beschloss Morgen früh aufzustehen, um noch einen Toaster zu versetzen. Und er dachte, dass er den ganzen Tag mit zwei Worten ausgekommen war. Ein Bier, Christus am Kreuz hatte mehr gebraucht.
Jörg Fauser ( *16. Juli 1944 in Bad Schwalbach / Taunus; + 17. Juli 1987 zwischen Feldkirchen und München-Riem) ***
BRÜDERLICH
Leben - einzeln und frei wie ein Baum und dabei brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist alt. Sie gibt uns Halt in unserem Kampf gegen die Dummheit, den Hass, die Gewalt. Ihr Gefährten im Zorn, ihr Gefährten im Streit, mit uns kämpft die Vernunft und die Zeit.
Hannes Wader (*23 Juni 1942 in Bielefeld-Gadderbaum als Eckhard Wader)
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NICHTS
Nichts tun Nichts sein Selbst mit dem Gebet Läuft die Zeit davon. Nur im Herbst eine Pflaume essen, Eine gelbe oder eine Blaue.
Herbert Achternbusch (*23. November 1938 in München als Herbert Schild geboren)
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DU GINGST ...
Du gingst vom schweigen ins schweigen Die weh ist ein ferner ort Ich wollt dich den worten zeigen Da waren die worte dort Es mischte sich seele in seele september floß in mai daß keine der farben fehle daß keine gereinigt sei Ins schweigen bist du gegangen im schweigen steh ich hier Kein regen konnte uns fangen Kein regen regnet von dir
Herbert Laschet - HEL - Toussaint (*1957 in Eupen)
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SCHWEIGEN
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie die Sozialisten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialist. Als sie die Juden einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Martin Niemöller (*14. Januar 1892 in Lippstadt; + 6. März 1984 in Wiesbaden) Theologe, Häftling im KZ Sachsenhausen, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus
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PRINZIP HOFFNUNG
Die Sehnsucht des Menschen ein wirklicher Mensch zu werden"
Ich bin. Wir sind. Das ist genug. Nun haben wir zu beginnen. In unsere Hände ist das Leben gegeben. Für sich selber ist es längst leer geworden. Es taumelt sinnlos hin und her, aber wir stehen fest, und so wollen wir ihm seine Faust und seine Ziele werden. - Geist der Utopie
Ernst Bloch (*8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein; + 4. August 1977 in Tübingen)
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LANGEWEILE Unsere Zeit ist so aufregend, dass man die Menschen eigentlich nur noch mit Langeweile schockieren kann
Samuel Beckett (*13. April 1906 in Foxrock, Irland; + 22. Dezember 1989 in Paris
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GESICHT
Ich sah dich, Und sah dich nicht Ich sah dich nicht und Seh dich doch, Ich sah dich nie und Seh dich doch, Denn den Gesicht Ist mein Gesicht
Wolfgang Weyrauch (*15. Oktober 1904 in Königsberg, + 7. Dezember 1980 in Darmstadt)
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LEBEN GESCHIEHT
10 Minuten genügen Um die Welt zu verändern Ja eine Minute reicht aus Um alles zu sagen Sieben Minuten Von mir aus auch fünf
Die Zeit spielt Überhaupt keine Rolle Zehn Minuten Sind alles was ich habe Ich glaube weder an Gott Noch irgendwas andres Solange ich lebe Lebe ich richtig Und wenn ich tot bin Ist endlich Schluss Wer wirklich begreift Dass der Kosmos nicht lügt Und die Erde Im Höllentempo hindurch gleitet
Wohnt in der sprachlosen Unendlichkeit Und wenn ich bloß sieben Minuten hätte Um sämtliche Einbildungen aufzulösen Lächerliche fünf Minuten Um die Geschichte der Andauernden Gegenwart zu erzählen Ich bräuchte nur drei Ach sag ich Nur eine Minute genügte Wahrscheinlich käme ich Mit einer Sekunde schon aus Denn die Wahrheit Die uns verbindet Das einzig echte In jedem LEBEN GESCHIEHT Nebenbei nebenbei So dermaßen nebenbei Es geschieht einfach so Es geschieht sogar Wenn kein Dichter darüber redet
Tom de Toys, deutscher Lyriker (*1968 in Jülich)
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SELBST-ZWEIFEL
"Letztendlich ist es sehr dumm, nur mit der Pest zu leben. Ein Mann muss natürlich kämpfen (...) Aber wenn es damit endet, dass er sonst nichts mehr liebt, wofür ist dann das Kämpfen gut?"
Albert Camus (*7. November 1913 in Mondovi (Algerien); + 4. Januar 1964 nahe Villeblevin Yonne, Frankreich)
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CLUB DER LEBENDEN DICHTER
kaum gelesen, noch seltener gehört, von keinem erfolg in der stille gestört, so singt er mit wortklang den traurigen winden
bleibt meist ohne anhang da keiner zu finden die nächtliche kammer bevölkert gelichter stipendiert ist im glücksfall das brot - berühmt wird der lebenden dichter ausschliesslich wer hin ist und tot
Katharina Lanfranconi (*20. Juni 1948 in Luzern,Schweiz)
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KAMPF
Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang, Die noch Stärkeren sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Lebenlang. Diese sind unentbehrlich.
Bertholt Brecht (*10. Februar 1898 in Augsburg: + 14. August 1956 in Berlin)
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ABENDGEFÜHL
Friedlich bekämpfen Nacht sich und Tag Wie das zu dämpfen, Wie das zu lösen vermag ! Der mich bedrückte, Schläfst du schon, Schmerz ? Was mich beglückte, Sage, was war's doch, ein Herz ? Freude, wie Kummer, Fühl' ich, zerrann Aber dem Schlummer Führten sie leise heran. Und im Entschweben, immer empor, Kommt mir das Leben Ganz wie ein Schlummerlied vor.
Christian Friedrich Hebbel (*18. März 1813 in Wesselburen, Dithmarschen; + 13. Dezember 1863 in Wien). Sein Pseudonym in der Jugend war Dr. J.G. Franz
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HÄLFTE DES LEBENS
Mit gelben Birnen hänget Und voll mit wilden Rosen Das Land in den Seen, ihr holden Schwäne, Und trunken von Küssen Tunkt ihr das Haupt ins heilignüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm' ich, wenn Es Winter ist, die Blumen, und wo Den Sonnenschein, Und Schatten der Erde? Die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen.
Friedrich Hölderlin (*20. März 1770 in Lauffen am Neckar; + 07. Juni 1843 in Tübingen)
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STUFEN
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stufe um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegen senden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ... Wohlan denn Herz, nimmt Abschied und gesunde!
Hermann Hesse (*02. Juli 1877 in Calw; + 09 August 1962 in Montagnola / Schweiz
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Wer werden
Für einander
Einzig sein in dieser Welt.
Antoine Saint-Exupery (29. Juni 1900 in Lyon;+ 31. Juni 1944 nahe Ile de Riou bei Marseille)
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HERBST
Um die Großstadt sinkt die Welt in Schaf. Felder gilben, Wälder ächzen überall.Wie Blätter fallen draußen alle Tage, Vom Zeitwind weggeweht.Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen, Ob draußen tost Vergänglichkeit, Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen:Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.
Gerrit Engelke, deutscher Arbeiterdichter,(*21. Oktober 1890 in Hannover; +1918 bei Cambrai in Frankreich)
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DIE FRAGE BLEIBT
Halte dich still, halte dich stumm, Nur nicht forschen, warum, warum? Nur nicht bittre Fragen tauschen. Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen. Wie's dich auch aufzuhorchen treibt. Das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.
Theodor Fontane (*30. Dezember 1819 in Neuruppin; + 20. September 1898 in Berlin)
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BEVOR ICH STERBE
Noch einmal sprechen von der Wärme des Lebens damit doch einige wissen: Es ist nicht warm aber es könne warm sein. Bevor ich sterbe noch einmal sprechen von Liebe damit doch einige sagen: Das gab es das muss es geben. Noch einmal sprechen vom Glück der Hoffnung auf Glück damit doch einige fragen. Was war das wann kommt es wieder?
Erich Fried (*6. Mai 1921 in Wien;+ 22. November 1988 in Baden-Baden)